Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) erklärt Hanna Zeiler (Nora Waldstätten) die Tradition des Blutritts. Das Wissen darüber hat er den Hausaufgaben seiner Tochter entnommen. (ZDF / Patrick Pfeiffer)
Einmal mehr wird im Landschaftskrimi „Die Toten vom Bodensee“ versucht, Mystik mit einem Kriminalfall zu verquicken. Immerhin soll Ende des 11. Jahrhunderts dem Kloster zu Weingarten eine Reliquie mit dem Blut Christi ausgehändigt worden sein. Der römische Lanzenstecher von Golgatha hatte es einst nach Mantua weitergereicht, von wo aus es nach Weingarten gelangte. Die Übergabe soll an einem Freitag nach Christi Himmelfahrt gewesen sein, weshalb der sogenannte „Blutritt“ stets an diesem Tag gefeiert wird. Rückschläge gab es in diesem Jahr: Erstens wurde das Gesuch um Aufnahme ins immaterielle Unesco-Kulturerbe kürzlich abgelehnt, weil Frauen an der Reiterei nicht teilnehmen dürfen, zweitens fiel die Prozession wegen Corona seit dem Zweiten Weltkrieg erstmals aus.
Im Krimi selbst (Drehbuch: Timo Berndt, Regie: Michael Schneider) kommt der Blutritt (von 2019) zwar vor, aber eher marginal. Stattdessen erzählt der deutsche Kommissar Oberländer (Matthias Koeberlin) seiner kleinen Tochter die Geschichte, die er beim Hausaufgaben machen erfahren hat. Dann aber wendet sich die Handlung doch sehr profanen Dingen zu. Während der Reiterprozession wird von einer unter den Zuschauern weilenden Reiterin ein tot geglaubtes sündteures Rennpferd entdeckt, das vor Monaten zusammen mit seiner Besitzerin auf deren Gestüt bei einem Brand umgekommen war.
Hanna Zeiler (Nora Waldstätten) hat ein ungutes Gefühl, was ihren neuen Freund angeht. Kollege Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) bringt ihr Verständnis entgegen und das aus gutem Grund. (ZDF / Patrick Pfeiffer)
Schuld am Tod der Frau soll der Sohn einer Mitarbeiterin gewesen sein, der vor den um sich greifenden Anschuldigungen flüchtete und nun erst wieder zurückgekehrt ist - gerade rechtzeitig, um einen Mordanschlag auf seine Mutter mittels Armbrust zu erleben. Offensichtlich wollte jemand die Preisgabe der Entdeckung des tot geglaubten Pferds verhindern.
Vom Vater mit Misachtung gestraft
Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) und seine Tochter Luna (Fiona Katharina Neumeier) schauen der Reiterprozession, dem Blutritt, zu. Doch dann bekommt der Ermittler einen wichtigen Anruf: Mordversuch! (ZDF / Patrick Pfeiffer)
Im Folgenden nimmt der Zuschauer an einer höchst verpuzzelten Familiengeschichte teil. Es geht um zwei Familien, um Väter, Frauen und Söhne. Die Söhne, befreundet seit Kindertagen, leiden heute nicht schlecht unter dem Geschehen: Hat der eine bereits vor Längerem beim Brand die Mutter verloren und wird vom Vater mit völliger Missachtung gestraft, so muss der andere um das Leben seiner eigenen Mutter bangen - sie hat den Schuss mit der Armbrust, im Koma liegend, überlebt. Hätte sie aussagen können, wäre der wahre Brandstifter sicher aufgeflogen.
An mystischer Spannung gebricht es diesem Bodenseekrimi in hohem Maße, auch weil das deutsch-österreichische Kriminalerpärchen Oberländer und Zeiler (Nora Waldstätten) meist mit reichlich bitterer Miene und viel Weltschmerz recherchiert. Hanna Zeiler trägt noch immer schwer am Unfall ihrer Eltern, Oberländer kümmert sich rührend um Vater und Kind. Doch die beiden gewinnen nur wenig Plastizität - ganz so, wie auch die tatverdächtigen Episodenfiguren eher erzählte als gegenwärtig handelnde Charaktere sind. Immerhin: Wer durchhält, wird - als alle Pferde- und Familiengeheimnisse gelüftet sind - mit einem ansehnlichen Bodensee-Sonnenuntergang belohnt.
September 01, 2020 at 02:00AM
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Mütter, Söhne und ein Pferd das plötzlich aufersteht - WESER-KURIER
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