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Tuesday, August 25, 2020

Tinker "Taffy": Problempferd beschäftigt Gericht - Onetz.de

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Ein Tinker – wie dieses Pferd (Symbolbild) – steht im Mittelpunkt eines Rechtsstreits vor dem Landgericht Weiden.

Bild: Henk Monster/exb

Tinker „Merlin“, von der Neubesitzerin in „Taffy“ umbenannt, beschäftigt am Montag einmal mehr das Landgericht Weiden. Josef Hartwig, Vorsitzender der 1. Zivilkammer, geht der Frage nach: Kann jemand für die Folgeschäden des Reitunfalls haftbar gemacht werden? Die verletzte Reiterin aus dem Landkreis Neustadt/WN hat nicht nur die Stall-Chefin (32) aus Weiden verklagt, sondern auch die Frau aus dem Raum Stuttgart, die ihr das Pferd im Januar 2016 verkauft hat.

Viele Widersprüche

In einem ersten Termin im Januar 2020 hatte der Richter 16 Zeugen angehört. Die strittigen Punkte betrafen zum einen den Pferdekauf: Hat die Schwäbin bewusst verschwiegen, dass "Merlin" gefährlich ist? Strittig ist auch, wie es zu dem Unfall kam. Er ereignete sich nicht im Rahmen einer Reitstunde, sondern bei einer zufälligen Gelegenheit. Die Stallbesitzerin, zugleich Reitlehrerin, übernahm die Longe, als die Neubesitzerin Bodenarbeit mit dem Tier machte. Dann erfolgte der spontane Reitversuch.

Die Aussagen der zwei Frauen sind völlig konträr. Die Stall-Chefin sagt, sie habe das Pferd nur aus Gefälligkeit ein paar Meter geführt, als die Reiterin wie bewusstlos aus dem Sattel rutschte. Die Pferdebesitzerin schildert das ganz anders: Die Trainerin habe überraschend einen Sattel geholt. "Ich sagte noch: Glaubst du, er ist schon so weit?" Erst ging das Pferd an der Longe im Schritt, dann habe die Reitlehrerin gemeint, man könne es antraben lassen. "Ich sagte: Ich trau mich nicht." Das letzte, an das sie sich erinnern könne, sei eine "hüpfende Bewegung" unter sich - dann lag sie am Zaun. Eine zufällige Zuschauerin (14) hat ausgesagt, dass die Reitlehrerin das Pferd mit der Gerte zum Trab animiert habe.

Fakt ist: "Merlin" tickte komplett aus und stürmte gegen die Umzäunung des Reitplatzes. Die Reiterin krachte gegen die Bohlen und stürzte zu Boden. Sie erlitt einen komplizierten Oberschenkelbruch. Es kam zu Komplikationen, weshalb ihr in einem Arzthaftungsprozess 9000 Euro zugesprochen wurden. Inzwischen wurde die 30-Jährige sechs Mal operiert.

Schon allein den Kauf hätte sie nie getätigt, wenn nicht die Stallbesitzerin sie dazu animiert hätte, sagt die Klägerin: "Ich hatte doch gar nicht das Wissen für einen Pferdekauf." Sie habe damals auf der Ranch Reitstunden genommen, um nach einem Reitunfall in der Kindheit ihre Angst zu überwinden. Die Reitstallbesitzerin habe ihr dann die Annonce aufs Handy geschickt: Über Facebook bot eine Frau aus Stuttgart einen Tinker-Wallach für 2200 Euro an. Die Anzeige lässt einen stutzig werden: Das Pferd sei "angeritten" und "gewöhne sich langsam" an einen sicheren Reiter.

"Hatten Sie denn keine Bedenken, als wenig geübte Reiterin ein nicht fertig ausgebildetes Pferd zu kaufen?", fragt am Montag der Anwalt der Vorbesitzerin. Nein, meint die Klägerin. Sie habe ihrer Reitlehrerin vertraut: "Sie sagte, das sei gut. Das Pferd könne dann mit mir lernen." Erst müsse der Tinker ohnehin Kondition und Vertrauen aufbauen, am besten mit Spaziergängen am Führzügel. Dies tat die frischgebackene Pferdebesitzerin auch: vom Kauf im Januar 2016 bis zum Unfall an Ostern.

Ein vom Gericht bestellter hippologische Gutachter kann seinen Ärger über so viel unprofessionelles Verhalten nicht verbergen. "Das Pferd hätte noch sehr viel Ausbildung bedurft, die es aber nicht bekommen hat", sagt Berufsreiter Heiko Hoffmann. Mit so einem jungen Tier hätte sofort mit reiterlicher Arbeit begonnen werden können. "20 Minuten Longieren, 10 Minuten Reiten, das dann steigern." Er schätzt, dass aus "Merlin" innerhalb eines halben Jahres ein Freizeitpferd auf E-Dressur-Niveau hätte werden können, auf dem auch Laien hätten reiten können. Nur hätte es dazu täglicher Arbeit mit einem qualifizierten Reiter bedurft.

Der Sachverständige sieht die Verantwortung ganz klar bei der verletzten Pferdebesitzerin: "Wenn sich eine erwachsene, gesunde Frau sehenden Auges ein solches Pferd kauft, glaube ich nicht, dass man dafür eine Hilfskraft verantwortlich machen kann." Er verweist auf die Tiergefahr. "Letztlich kann so etwas mit jedem Pferd passieren. Ich hatte meinen schwersten Unfall mit meinem besten Pferd." Die Klägerpartei hat einen zweiten Gutachter beauftragt, der zu einem anderen Schluss kommt: Ein ängstlicher Reiter gehöre nicht auf ein junges Pferd, bei dem erste Reitversuche gemacht werden - und ein Longenführer müsse das beachten.

Probleme mit Versicherung

Richter Hartwig lässt durchblicken, dass auch er ein Haftungsrisiko bei der Stall-Chefin sieht, auf deren Wissen sich die Anfängerin verließ. Ihr Anwalt, von deren Haftpflichtversicherung beauftragt, warnt, "dass es nicht sicher ist, ob es einen Versicherungsschutz gibt": "Da gibt es Probleme." Die Verkäuferin haftet eher nicht: Zu widersprüchlich sind die Aussagen über die Verkaufsgespräche. Die Schwäbin sagt, sie habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass "Merlin" eine "tickende Zeitbombe" sei.

Das Gericht will den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Der Richter kann sich einen fünfstelligen Einmalbetrag von der Stallbesitzerin an die Verletzte vorstellen. Das würde zumindest die Kosten decken, die aufgelaufen sind. "Merlin" steht auf einer Weide im Kreis Neustadt. "Ihm geht es gut", sagt seine Besitzerin. Aber eine Dauerlösung sei das nicht.

Der erste Verhandlungstag im Januar 2020

Weiden in der Oberpfalz

Tinker-Klage:

Was wird gefordert?

Die Klage lautet auf Rückabwicklung des Kaufs und Schadenersatz. Die verletzte Pferdebesitzerin fordert rund 60000 Euro, unter anderem an Schmerzensgeld, für Haushaltsführung und entgangenen Einkünften. Wie geht es nun weiter? Der Richter kündigte an, den Parteien einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Die Parteien können entscheiden, ob sie den Vergleich annehmen.




August 26, 2020 at 02:26AM
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