Eine monströse Lüge über Jahre aufrechtzuerhalten kostet nicht nur sehr viel seelische Kraft, sondern manchmal auch sehr viel Geld – jedenfalls dann, wenn das Schweigen eines Zeugen teuer erkauft werden muss wie im Falle der Familien Stöhr und Etlinger, um die sich in der neuen Folge der Krimireihe „Die Toten vom Bodensee – Der Blutritt“ ein kompliziertes Drama entspinnt. Dessen Fäden entwirren müssen die beiden Ermittler Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) und Hannah Zeiler (Nora Waldstätten). Ganz gewiss ahnen sie nicht, welch düstere Geheimnisse die mit einer Armbrust im Umfeld des sogenannten Blutritts, bei dem mehr als 3000 Pferde teilgenommen haben, niedergestreckte Marlene Stöhr (Stefanie von Poser) mit sich herumschleppt. Da sie nach dem Armbrust-Angriff im Koma liegt, kann das Ermittlerteam sie leider nicht befragen. Micha Oberländer und Hannah Zeiler tauchen deshalb tief in die Gestüt-Welt der reichen Etlingers ein, in der auch Marlene Stöhr als Patentante und Ersatzmutter des jungen, ehrgeizigen Ferdinand Etlinger beheimatet ist.

Bei einem verheerenden, erst ein Jahr zurückliegenden Brand wären beinahe alle Pferde des Gestüts im Feuer ums Leben gekommen – wäre da nicht der tapfere Ferdinand gewesen, der die meisten Pferde retten konnte, während seine Mutter in den Flammen starb. Ein besonderes Pferd allerdings, der sündhaft teure Zuchthengst von Daria Roth (Jule Ronstedt), fiel dem Feuer zum Opfer, doch exakt dieses Pferd glaubt Marlene Stöhr beim Blutritt gesehen zu haben. Dass ihr Sohn Oliver (Marlon Boess) nach einem halben Jahr Abwesenheit plötzlich wieder auftaucht, macht die sich in herrlicher Bodensee-Kulisse abspielenden Geschehnisse nicht gerade leichter. Kurz gesagt: Die Sache ist kompliziert.
Am Drama mangelt es nicht
Als ob der Zuschauer mit all diesen Verwicklungen, Freund- und Feindschaften sowie finanziellen Machenschaften der Beteiligten nicht gedanklich schon reichlich beschäftigt wäre, dichtet Drehbuchschreiber Timo Berndt Marlene Stöhr auch noch eine Affäre an. Ihr Ehemann Adrian (Peter Knaack), der einer sektenähnlichen Vereinigung auf den Leim gegangen ist, weiß von der Liaison seiner Ehefrau, weshalb er in einer Szene im Garten Fotos und einen BH von ihr verbrennt. Derweil kämpft Marlene Stöhr im Krankenhaus ums Überleben. Nach einer guten halben Krimistunde weiß man jedenfalls kaum mehr wohin mit seiner Aufmerksamkeit und Empathie.
Unbefriedigend „lieben“ darf in dieser mit dysfunktionalen Familienbeziehungen und Freundschaften überfrachteten Folge übrigens auch die schöne Hannah Zeiler, der Nähe schnell zu nah ist, wie sie einmal pseudophilosophisch haucht. Die Hauptaufgabe der österreichischen Ermittlerin scheint ohnehin nicht darin zu bestehen, in klugen Gesprächen mit ihrem deutschen Kollegen Micha Oberländer der Lösung des Falls auf die Spur zu kommen, sondern stets ein und denselben ernsten Gesichtsausdruck aufzusetzen, zu dem ein leicht geöffneter Mund gehört, den man in dieser Konsequenz nur von Models auf dem Laufsteg kennt. Gut, hin und wieder hebt sie eine Augenbraue und trägt die Haare anders, aber das war’s dann auch schon wieder mit der Abwechslung. Auch wenn Ernsthaftigkeit die prägende Charaktereigenschaft von Hannah Zeiler ist, heißt das ja nicht, es bestünde keinerlei schauspielerischer Interpretationsraum. Doch den scheint Nora Waldstätten nicht betreten zu wollen.
Dass man noch blutleerer spielen kann, zeigt Christopher Schärf als Raphael Stadler. Seiner Herzensdame Hannah Zeiler, auf die er es des Geldes wegen abgesehen hat, nähert er sich so ungelenkt und leidenschaftslos, als stelle er gerade eine To-do-Liste für den kommenden Tag auf. Umso größer ist die Freude über selbst die bösesten menschlichen Regungen, darunter jener Hass, der im Gesicht Gernot Etlingers (Falk Rockstroh) aufblitzt, sobald sich ihm sein Sohn Ferdinand auch nur nähert. Der todkranke Mann, der lieber langsam vor sich hin stirbt, als von Ferdinand eine Lebendspende zu bekommen, macht nämlich seinen Sohn für den Flammentod seiner Frau verantwortlich. Wenn es der Folge „Der Blutritt“ an einem nicht mangelt, dann am Drama. Doch nur an allen möglichen Ecken und Enden einen Konflikt heraufzubeschwören bedeutet noch lange nicht, dass ein guter Krimi das Ergebnis ist.
Die Toten vom Bodensee – Der Blutritt läuft heute um 20.15 Uhr im ZDF.
September 07, 2020 at 10:50PM
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Auf dem Rücken der Pferde - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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